Gefährdungsbeurteilung

Sinn, Zweck und Nutzen der Gefährdungsbeurteilung als Bestandteil der kontinuierlichen Arbeitsschutzarbeit
Eine der Grundpflichten des Arbeitgebers ist es, erforderliche Maßnahmen festzulegen, um die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Beschäftigten bei der Arbeit zu sichern und zu verbessern. Wesentliche Voraussetzung dafür ist die Gefährdungsbeurteilung.

Das Arbeitsschutzgesetz vom 7. August 1996 (in Kraft getreten am 21. August 1996) fordert im § 5 vom Arbeitgeber, die für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdungen zu ermitteln und zu beurteilen. Die Ergebnisse dieser Ermittlungen sind zu dokumentieren. Entsprechende Vorgaben zur Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen bestehen auch in der Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGV A1) und in Verordnungen - zum Beispiel der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV), der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV), der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV).
Die Gefährdungsbeurteilung bringt primär einen Nutzen für das Unternehmen und stellt nur sekundär die Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht dar. Mit Hilfe der Gefährdungsbeurteilung soll es dem Unternehmer erleichtert werden, Schwachstellen in seinem Unternehmen, vorzugsweise an der Schnittstelle zwischen Mensch und Technik, aufzuspüren. Zu bewerten sind neben dem Normalbetrieb insbesondere Instandhaltungsarbeiten und Störungsbeseitigungen.

Damit lassen sich
Unfallgefahren reduzieren,
Gefährdungen abbauen, die Ursache von Berufskrankheiten sein können,
arbeitsbedingte Erkrankungen vermeiden.
Darüber hinaus können
Arbeitsabläufe optimiert,
Ausfallzeiten reduziert,
Kosten gesenkt,
die Qualität der Produkte gesichert und verbessert werden.
Die Ergebnisse der Gefährdungsbeurteilung zeigen, an welchen Arbeitsplätzen und bei welchen Arbeitstätigkeiten Gefährdungen und Belastungen auftreten. Es lassen sich Prioritäten setzen, welche Schutzmaßnahmen vorrangig zu realisieren sind.

Die sachgerechte Unterweisung der Beschäftigten über die bei der Arbeit auftretenden Gefährdungen und Belastungen sowie sicherheitsgerechtes Verhalten können auf der Basis von Gefährdungsbeurteilungen zielgerichteter durchgeführt werden. Die Gefährdungsbeurteilung ist darüber hinaus eine wichtige Grundlage für die Arbeit von betrieblichen Führungskräften, Fachkräften für Arbeitssicherheit, Betriebsärzten, Betriebsräten, Sicherheitsbeauftragten und allen Beschäftigten.
Durchführung der Gefährdungsbeurteilung

Wer muss die Gefährdungsbeurteilung durchführen?
Vom Gesetzgeber ist ausdrücklich der Unternehmer festgelegt, die Arbeitsbedingungen zu beurteilen und zu dokumentieren. Der Unternehmer kann diese Aufgaben teilweise delegieren. Die Verantwortung für die korrekte Durchführung der Gefährdungsbeurteilung und die Umsetzung der Maßnahme verbleibt bei ihm.
In die Ermittlung sind insbesondere einzubeziehen:
Betriebliche Führungskräfte - zum Beispiel Meister,
Betriebsräte,
Fachkräfte für Arbeitssicherheit,
Betriebsärzte,
Sicherheitsbeauftragte,
Beschäftigte.

Die Qualität einer Gefährdungsbeurteilung wird wesentlich davon bestimmt, ob und in welchem Umfang die Beschäftigten in die Ermittlungen an ihrem Arbeitsplatz einbezogen werden. Die Beschäftigten bringen ihre Erfahrung mit den Schwachstellen in ihrer Tätigkeit ein und ermöglichen damit Erkenntnisse zu Gefährdungen und Belastungen, die vom außenstehenden Betrachter in der Regel nicht zu erkennen sind. Darüber hinaus wird die Akzeptanz von durchzuführenden Maßnahmen erhöht und das Sicherheitsbewusstsein gefördert. Die Gefährdungsbeurteilung kann auch von betriebsfremden Personen oder Institutionen im Auftrag des Unternehmers durchgeführt werden. In diesem Fall müssen aber betriebliche Führungskräfte und vor allem die Beschäftigten in die Ermittlung einbezogen werden.

Wird die Gefährdungsbeurteilung von externen Personen oder Unternehmen ausgeführt, so entbindet es den Unternehmer nicht von seiner Pflicht, Maßnahmen zur Vermeidung und Reduzierung von Gefährdungen und Belastungen festzulegen und deren Erfolg zu kontrollieren.

Eine interessante Darstellung zur Durchführung der Gefährdungsbeurteilung findet sich in einem englischen Informationsblatt:
"Wenn Sie selbst die Ermittlungen vornehmen wollen, gehen Sie durch Ihre Arbeitsstätte und sehen Sie alles das von Neuem an, von dem vernünftigerweise angenommen werden muss, dass es Schäden verursachen könnte. Ignorieren Sie Kleinigkeiten. Konzentrieren Sie sich auf wesentliche Gefahren, die ernsthafte Schäden zur Folge haben oder viele Menschen treffen können. Fragen Sie Ihre Beschäftigten und deren Vertreter nach ihrer Meinung. Sie können Dinge bemerkt haben, die nicht offensichtlich sind. Denken Sie auch an Personen, die nicht ständig in der Arbeitsstätte sind - zum Beispiel Kunden, Reinigungskräfte, Besucher, Fremdunternehmer, Instandhaltungspersonal. Schließen Sie in Ihre Überlegungen fremde Personen oder Leute ein, mit denen Sie sich die Arbeitsstätte teilen, wenn die Möglichkeit besteht, dass sie durch ihre Aktivitäten verletzt werden können."
 Wann muss eine Gefährdungsbeurteilung durchgeführt werden?

Zunächst muss eine Gefährdungsbeurteilung durchgeführt werden als Erstbeurteilung an allen Arbeitsplätzen. Ergeben sich aus der Beurteilung Maßnahmen zum Abbau der Gefährdungen, müssen die realisierten Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit überprüft werden, das heißt, es muss eine erneute Beurteilung des Arbeitsplatzes erfolgen. Zu berücksichtigen sind auch Veränderungen im staatlichen und berufsgenossenschaftlichen Vorschriftenwerk - zum Beispiel Grenzwerte. Aktualisierungen der Beurteilungen sind auch bei Veränderungen des Arbeitsplatzes beziehungsweise -bereiches durchzuführen.


Dies betrifft zum Beispiel:
Veränderung der Technologie
Einführung neuer Arbeitsstoffe
Änderung von Arbeitsverfahren und Tätigkeiten
Änderung von Arbeitsbereichen
Veränderung von Maschinen
Änderung der Arbeitsorganisation
Auftreten von Unfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Erkrankungen
Sehr zu empfehlen ist, die Gefährdungsbeurteilung zum wichtigen Bestandteil der kontinuierlichen betrieblichen Arbeitsschutzarbeit zu machen. Damit wird sie zu einem äußerst wertvollen Instrument für eine systematische Präventionsarbeit.
 Wie sollte eine Gefährdungsbeurteilung durchgeführt werden?
Eine Gefährdungsbeurteilung sollte sinnvollerweise mit der Feststellung der vorhandenen Betriebsstruktur und Arbeitsorganisation beginnen. Es hat sich bewährt, das Organigramm einer Dokumentation voranzustellen.
Aus der Kenntnis der Betriebsstruktur muss die Festlegung der Betrachtungseinheit erfolgen. Es sollte festgelegt werden, in welchen Struktureinheiten die Gefährdungsbeurteilung erfolgt. Maßgebend für die Aussagefähigkeit und damit auch dem Nutzen der gesamten Gefährdungsbeurteilung ist die Qualität, mit der diese Strukturierung vorgenommen wird. Liegen Arbeitsbereiche vor, in denen überwiegend gleiche Tätigkeiten verrichtet werden - zum Beispiel Putzarbeitsplätze in der keramischen Industrie, Malarbeitsplätze in der Glas- oder Keramikherstellung sowie Glasschleifarbeitsplätze -, bietet es sich an, die Gefährdungsbeurteilung für den gesamten Bereich als Einheit durchzuführen. In der Regel wird es sich als notwendig erweisen, die Beurteilung arbeitsplatzbezogen oder tätigkeitsbezogen durchzuführen.
Zu empfehlen ist, das Risiko (Wahrscheinlichkeit und Schwere eines durch eine Gefährdung möglichen Schadens) und/oder die Beanspruchung (Auswirkung der Belastung auf eine Person) zu ermitteln. Dazu sind eventuell Messungen - zum Beispiel Gefahrstoffe, Lärm -, Analysen des bisherigen Unfall- und Berufskrankheiten Geschehens sowie Risikobetrachtungen notwendig .
Diese Risiken und die Beanspruchungen sind die Grundlage für die Festlegung von Maßnahmen, erfolgen. Dabei ist die Rangfolge der Schutzmaßnahmen zu beachten, wie sie das Arbeitsschutzgesetz im § 4 vorgibt. Mit den Maßnahmen sind Termine und Verantwortlichkeiten festzulegen.
Die Maßnahmen bezüglich ihrer Realisierung sind zu kontrollieren. Die Beurteilung ist zu dokumentieren. Dazu ist keine besondere Form vorgeschrieben.
Selbstverständlich sind auch die erfolgten Maßnahmen hinsichtlich von Gefährdungen und Belastungen zu überprüfen. Daraus ergibt sich auch, dass die Gefährdungsbeurteilung ein kontinuierlicher Prozess im Arbeitsschutz darstellt.

 
Ablaufschema    
 

1    Erfassung der Betriebsstruktur und Arbeitsorganisation
(Untergliederung in Bereiche)    
    

 
 
2    Festlegung der Betrachtungseinheit
(z. B. arbeitsbereichs-, tätigkeits- oder personenbezogen)    
    

 
 
3    Ermittlung der Gefährdungen/Belastungen
(Ja-/Nein-Entscheidung)    
    

 
 
4    Prüfung, ob die
aufgeführten Schutzziele erreicht sind    
    

 
 
5    Bewertung der Gefährdungen/
Belastungen
(Einschätzung des Risikos und der Beanspruchung)    
    

 
 
6    Festlegung von Maßnahmen, Terminen ihrer Realisierung
und Verantwortlichkeiten    
    

 
 
7    Kontrolle der Realisierung    
    

 
 
8    Gefährdungsermittlung nach Realisierung    
    

 
Dokumentation aller Schritte    
    
Welche Gefährdungen und Belastungen sind zu ermitteln und zu beurteilen?

Bei der praktischen Durchführung der Gefährdungsbeurteilungen steht immer die Frage im Mittelpunkt, welche Gefährdungen und Belastungen in die Ermittlungen und Beurteilung einbezogen werden. Im Arbeitsschutzgesetz ist dazu ausgeführt:
”Eine Gefährdung kann sich insbesondere ergeben durch
die Gestaltung und die Einrichtung der Arbeitsstätte und des Arbeitsplatzes,
physikalische, chemische und biologische Einwirkungen,
die Gestaltung, die Auswahl und den Einsatz von Arbeitsmitteln, insbesondere von Arbeitsstoffen, Maschinen, Geräten und Anlagen sowie den Umgang damit,
die Gestaltung von Arbeits- und Fertigungsverfahren, Arbeitsabläufen und Arbeitszeit und deren Zusammenwirken,
unzureichende Qualifikation und Unterweisung der Beschäftigten.” (ArbSchG § 5 Abs. 3)

 Wie erfolgt die Beurteilung der Gefährdungen?
Bei der Beurteilung der Gefährdung sind die Höhe des zu befürchtenden Gesundheitsschadens sowie die Wahrscheinlichkeit ihres Eintritts einzuschätzen. Gefährdungen durch Maschinen und Anlagen, physikalische Faktoren (Lärm, Vibrationen, UV-Strahlung, Klimabelastungen), Gefahrstoffe, biologische Einwirkungen können häufig nur durch die Einbeziehung von Fachleuchten richtig beurteilt werden. Dafür sind die Fachkräfte der ASZ  Ansprechpartner, die Ihnen bei der Beurteilung von Gefährdungen Unterstützung geben können.